Ein Leben für die flotte Sohle
Der Mann, der den Bramstedtern schöne Schuhe macht, ist einst aufgewachsen mit dem heutigen Modezaren Karl Lagerfeld.
Bad Bramstedt. Sagen Sie ja nicht "Schuster" zu diesem Mann! Karl Wagner ist Schuhmacher, und das seit stolzen 50 Jahren. Ein ungewöhnliches Jubiläum, das der Bramstedter Meister groß gefeiert hat mit der Bürgervorsteherin und allem, was in der Kurstadt Rang und Namen hat. Und keiner durfte Schuster sagen. "Schuster ist schon, wer seine Schuhe selbst repariert", sagt der 73-Jährige.
Der Schuhmacher und sein Geschäft am Kirchenbleeck gehören zu den Institutionen in der Innenstadt von Bad Bramstedt. Dass Wagner nicht wie zunächst geplant Tischler, sondern Schuhmacher wurde, hat allerdings sein Cousin aus der 22 Kilometer entfernten Schuster(!)-Stadt Barmstedt zu verantworten. "Dort hat er in einer Fabrik handgenähte ungarische Schuhe hergestellt", berichtet der Senior. "Das hat mich fasziniert."
Lehre beim Bramstedter Schuhmacher Möck, orthopädische Fortbildung, Meisterschule in Hamburg - Karl Wagner ging gradlinig vor.
Aufgewachsen ist er mit einem Nachbarn, den heute die ganze Welt kennt: Karl Lagerfeld verbrachte die Nachkriegszeit im Gut Bissenmoor bei Bad Bramstedt und ging mit Wagner zur Schule, der mit seiner Familie nebenan im Verwaltergebäude lebte. Heute betont Lagerfeld in jeder Talkshow, wie grässlich seine Schulkameraden waren. "Mich kann er damit nicht treffen", sagt Wagner und amüsiert sich, dass der gleichaltrige Lagerfeld sich stets ein paar Jahre jünger macht. Gesehen haben sich der Schuhmachermeister und der bizarre Modezar nie wieder.
Zurück zum Schuhhaus: Damals warf man die Schuhe nicht weg, wenn sie beschädigt waren. Der Schuhmacher reparierte sie. In Wagners Werkstatt kamen Männer mit schweren Stiefeln ("Knobelbecher") und junge Damen in Petticoats, denen die Absätze abgebrochen waren. Oder Versehrte, denen Schuhe angepasst werden mussten, weil sie mit verletzten Füßen aus dem Krieg zurückgekommen waren. Neun Schuhmacher konnten damals im kleinen Bad Bramstedt von ihrer Arbeit leben. "Damals gab es noch keinen Deichmann", sagt Wagner.
1960 kauften Helga und Karl Wagner das Haus und das Grundstück, auf dem heute noch das Schuhhaus Wagner steht, rissen den Altbau 1964 ab und bauten neu. Sohn Rolf kam zur Welt, der Kaufmann steht heute im Laden und hat inzwischen selbst einen Sohn.
"Wir sind kein Schuhgeschäft", sagt der 44-Jährige. "Wir sind ein Schuhfachgeschäft." Der Schwerpunkt der Arbeit liege bei der Bedienung und Beratung. "Wir müssen eben anders sein als viele andere." Dass die Wagners so weit gekommen sind, verdanken sie ihren Kunden, sagt Rolf Wagner. Mit einer Sonderverkaufsaktion vom 10. bis zum 15. Dezember wollen sie sich dafür bedanken.
Im hinteren Teil des Hauses steht immer noch die Werkstatt, in der alles repariert oder auch angefertigt wird, was Füßen gut tut. Einige Maschinen aus der Gründerzeit des Schuhhauses laufen immer noch. Die "Adler", mit der Schuhe gesteppt (genäht) werden, ist immer noch tadellos in Betrieb.
